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Ausgeschlafen segeln

Vielleicht macht mich die Großstadt müde, die Abgase, der Lärm, die vielen Menschen oder bin ich einfach nur ein Schluffi? Jedenfalls habe ich extrem lange geschlafen - bis um kurz vor 12, dabei war ich gar nicht so spät im Bett. Ich raffe mich auf, dusche so heiß, dass es fast wehtut, packe meine sieben Sachen und laufen zu dem Restaurant, das mir gestern ganz zufällig ins Auge gesprungen ist. Wegen des Namens: LOOP! Erst als ich dort bin, fällt mir auf, dass es ein eher teures Restaurant ist, aber nach kurzem Nachdenken, komme ich zu dem Schluss, dass das auch mal in Ordnung ist. Kulinarisch hat mich Portugal bis jetzt nicht gerade abgeholt. Es ist ein letzter Versuch, wobei es nicht einmal portugiesische Küche ist, aber ich glaube das ist wirklich nicht so viel zu holen.

Und ich bereue nichts. Das Essen war fantastisch, die Bedienung extrem freundlich und ich glaube die komplette Belegschaft bestand nur aus Frauen, zumindest heute und das hat sich auch ein wenig auf die Atmosphäre ausgewirkt. Vielleicht muss ich da noch dazu sagen, ich glaube es waren auch ausschließlich intelligente Frauen. Es sind ja nicht Männer, die die Atmosphäre für mich oft verpesten, es sind die Dummen und Lauten - meiner Erfahrung nach eben doch meistens männlich, weil die dummen Frauen ja trotzdem härter erzogen werden. Vielleicht bin ich auch einfach ein bisschen auf Krawall gebürstet, weil mir heute auf dem kurzen Weg schon drei Machos mit hässlichen Autos und extralautem Auspuff begegnet sind. Knall brumm brumm!!! 

Im LOOP gefällt es mir zumindest ausgesprochen gut. Es ist gar nicht so einfach zu beschreiben warum... Es war irgendwie eine konzentrierte Atmosphäre. Kann eine Atmosphäre konzentriert sein? Es war einfach sich zu konzentrieren, aufs Essen, auf die anderen Gäste, auf die eigenen Gedanken. Die Bedienung war auf eine entspannte Art präsent und fokussiert. Der Raum geordnet, alles hatte seinen Platz, aber wenn man den Blick schweifen lies, konnte man trotzdem genug Interessantes entdecken - sie verkaufen Olivenöl, selbstgemachte Chutneys, Tomantesoße und Kekse. Mir gefällt, dass ein Laden in dem das günstigste Hauptgericht 17 Euro kostet, sich trotzdem nicht zu schade ist Eingekochtes zu verkaufen. 

Ich bestelle mir einen selbstgemachten Kombucha, weil ich wissen möchte, ob mein eigener selbstgemachter überhaupt richtig geschmeckt hat (ja hat er). Als Hauptgericht bestelle ist Ossobuco, zum Teil, weil mir die Bedienung erklärt, dass sie Fleisch und Gemüse nur von lokalen Ökobauern beziehen, aber auch, weil ich beim Lesen des Gerichts große Lust auf Polenta bekommen habe. 

Es ist so lecker, dass ich beim Essen überlege, ob ich nicht morgen einfach noch einmal hier essen will. Wenn ich wieder im Corona-verseuchten Deutschland bin, werde ich sowieso die nächsten Wochen das Haus nur zum Spazierengehen verlassen und das bleibt hoffentlich kostenlos. Also warum nicht mal über die Stränge schlagen und direkt noch einmal teuer Essen gehen? Später erfahre ich, dass sie morgen und übermorgen geschlossen haben, was mich ganz kurz wütend macht, dann traurig und dann entscheide ich, dass es ok ist, wenn ich jetzt noch ein Dessert esse! Ich nehme ein Mousse aus Karob - Johannisbrotkernen - mit karamelisierten Mandeln, weil ich neugierig bin und mich daran erinnere, dass es auch in Katalonien viele Johannisbrotbäume gab. Die Bedienung erklärt, dass es eine Kakao-Alternative ist, aber sehr viel weniger die Umwelt belaste, bei Anbau und Ernte. Etwas süß, aber sehr lecker und mit meinem doppelten Espresso genau richtig. Ich bin sehr zufrieden.

Beim bezahlen frage ich sie nach 2-Eurostücken für Ralf, auch dabei ist sie mehr als hilfsbereit. 

 

Zum Segeln gibt es gar nicht so viel zu sagen. Es war schön! Wir sind an vielen Stellen vorbeigefahren, an denen ich vorher schon auf dem Land entlang spaziert bin. Oft wurde uns gewunken. Außer mir war nur noch ein weiteres Pärchen mit dabei. Sie kommen aus San Francisco und ich frage sie, ob sie nur hier wären, um sich das Gegenstück zur Golden-Gate-Bridge anzuschauen. Sie ist Sekretärin, hat kräftig rot gefärbte Haare und einen passenden Lippenstift. Er ist Programmierer mit beginnender Halbglatze und könnte vom Gesicht auch ein verschollener Verwandter aus Gudruns Familien sein. Er arbeitet im Finanzwesen und schreibt Programme, die die nächste Finanzkrise verhindern soll. Er zweifelt aber daran, dass es überhaupt möglich ist. 'If you try to make something idiot-prove, they will just make a bigger idiot.', meint sie dazu. Ich lache. 

Später lobt sie mich für mein Englisch, was mich freut und fragt mich was ich mache. Ich erzähle von Meander Books und sie wirken beide ehrlich interessiert und begeistert. Auch die Geschichte gefällt ihr richtig gut. Bis jetzt hat eigentlich jedem gefallen, was ich mache, vielleicht sollte ich doch endlich mal aufhören an allem zu zweifeln. 

Sie erzählt, dass sie als Kind eine noch nicht digitale Version eines interaktiven Buchs ausprobieren durfte, weil eine Freundin ihrer Mutter sich daran versuchte. Die Geschichte wurde mittels Briefen erzählt, die den Kindern zugeschickt wurden, immer aus der Sicht eines anderen Tiers der Geschichte. Einmal ging es um einen kleinen Hund und im Brief beiliegend war ein kleines Päckchen mit Leckerlies, die die kleine Sekretärin (wir haben uns nie vorgestellt) selbst gegessen hat. Sehr gut!

Ach ja einen Regenbogen gab es auch! :)

Abends kehre ich dann noch bei einem französischen Cafe ein und trinke Tee und esse Karottensuppe, die so schmeckt, als hätten sie sie kalt zubereitet und dann nur aufgewärmt zum Servieren. Das hört sich jetzt eher nach Kritik an, so meine ich es nicht! Sie war sehr lecker. Hat mich irgendwie ein bisschen an Gazpacho erinnert, nur warm und mit Möhren (und viel Knoblauch). Außerdem extrem orange. Die Farbe bekommt man glaube ich nicht hin, wenn man Möhren lange kocht. Fragen war natürlich unmöglich, hinterher könnte noch jemand denken, ich kommuniziere gern.

Danach kaufe ich mir spontan noch zwei Croissants, die ich später noch essen möchte und kaufe im kleine Shop nebenan noch einen Wein - Singular. Mir gefällt das Etikett und dass ich ihn alleine trinken werde. Der Name passt.

 

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