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Zuhause

Ich bin zum Meer gelaufen und ich kenne den Weg mittlerweile so gut, dass ich gar nicht mehr darüber nachdenken muss, wo ich bin. Nichts mehr aufregendes neues sehe, es ist fast wie Alltag. Das ist eigentlich schön, denn so kann ich meine Gedanken einfach schweifen lassen. In Azenhas do Mar war ich aber wieder genauso überwältigt vom Meer, wie am allerersten Tag. Machtvolle, breite Wellen rollen auf die Klippen zu. Sie rollen nicht nur, sie grollen auch ziemlich.

Ich laufe an den Klippen entlang nach Praia das Macas und gehe in das Restaurant in das ich schon die ganze Zeit mal wollte (Barmacia). Wenn man drinnen am Fenster sitzt, kann man ganz ungestört die Wellen beobachten. Ich bekomme einen Blick von einer aufgetakelten Frau, als wäre ich unwürdig und irgendwie freut mich das. Ich trage meine Latzhose und alle Pullis übereinander, die ich mithabe. Es ist eben windig und kalt draußen (natürlich nicht im Vergleich zu euch armen Würsten in Deutschland). Die Bedienung ist aber mehr als freundlich, sie steckt sogar mein Smartphone an den Strom und gibt mir einen guten Tisch mit perfekter Aussicht. Ich bestelle Kartoffelschalen-Chips und die hiesige Version von Piementos de Padron. Sie warnt mich, dass sie ein bisschen scharf seien. Ich sage: Gut.

Während ich die Bratpaprikas dann esse, laufen mir Tränen über die Wangen, denn eine von ihnen war nicht nur ein bisschen scharf, sondern wie eine Chili aus der Hölle. Ich leide ein bisschen, aber finde gut, dass ich weinend auf das Meer schaue, von dem ich mich morgen schon verabschieden muss. Das passt. Ich bestelle ein zweites Bier und damit habe ich mich dann wieder im Griff. 

Als ich heute vom wunderbaren, unglaublichen Meer zurück nach Hause kam, so kommt es mir jetzt tatsächlich vor, begrüßt mich der Hund von Silvia freudig. Er hat irgendwie einen Narren an mir gefressen. Vielleicht wegen den Nackenmassagen, die er und die anderen Tiere hier von mir bekommen. Wenn bei Menschen der Nacken verspannt, dann ja sicher auch bei Tieren. Nachdem ich den Hund ein bisschen durchgeknetet habe, kommt auch schon Silvias Tochter auf mich zugerannt und umarmt mich stürmisch. Ich freue mich, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Sie nimmt meine Zöpfe in die Hand und ist begeistert. Kurz darauf werde ich von ihrem Bruder mit einem Bambusstecken bedroht - ich spiele die Angsterfüllte und er freut sich, aber statt mich niederzustrecken, hat er es auf seine Schwester abgesehen. Die spielt mit und fällt theatralisch auf den Boden.

Wie schnell man sich an einem neuen Ort einleben kann und wie schade es ist, dass morgen mein letzter Tag hier ist. Trotzdem glaube ich, dass es ein guter Zeitpunkt ist, wieder zu gehen. Ich fange schon an, mir den Kopf über Probleme zu zerbrechen, die es hier gibt. Silvias Mann zum Beispiel ist ein Arschloch, der die Idylle hier ein bisschen vergiftet. Er hat eindeutig irgendein Problem mit Frauen und das ist sehr schade.

 

Vor ein paar Tagen habe ich Silvia und ihren Kindern die Waldmännchen gezeigt, die ich von ihnen gemalt hatte und obwohl die Kinder noch kein gutes Englisch sprechen (sie sind aber auch erst 2, 4 und 6, wobei ich absolut nicht erkennen kann, wer 4 und wer 6 ist), verstehen sie trotzdem, dass ich ihnen gerade Eichel Versionen von ihnen zeige. Sie sind ganz begeistert!

 

Das sind die Sketches zu den tollen Leuten, die ich hier getroffen habe
Das sind die Sketches zu den tollen Leuten, die ich hier getroffen habe

Die Tochter Alice bleibt noch etwas länger bei mir stehen und ich zeige ihr alle möglichen Illustrationen. Sie ist sichtlich angetan und das macht mich sehr froh. Obwohl ich mein Kinderbuch schreibe, habe ich ja sehr wenig mit Kindern zu tun und habe immer ein bisschen Angst davor, dass die Sachen, die ich illustriere und plane gar nicht so richtig kindgerecht sind. Aber Alice gefällt es.

 

Später zeige ich ihr die Spiegelfunktion in Procreate, womit man kinderleicht eine Art Mandala malen kann und gebe ihr den Stift. Sie hat sichtlich Spaß daran. 

Heute morgen konnte ich Silvias jüngsten Sohn beobachten wie er in eine Tonvase hineinspricht und immer wieder ein paar Sachen hineintut. Silvia erklärt, dass er glaubt ein Drachenei gefunden zu haben und es jetzt in der Vase ausschlüpfen lassen möchte. Wie rührend, dass er sich auch die Zeit nimmt mit dem ungeborenen Drachen zu sprechen. Ein gutes Kind mit dem Zweitnamen Bolota - was übersetzt Eichel bedeutet!! Ein schöner Zufall!

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