Ich sitze gerade am Feuerplatz, das Feuer ist noch aus, aber der schwarzweiße Kater sitzt schon im (!) Kamin und wartet darauf, dass es los geht. Und während ich den letzten Satz noch tippe, kommen Kirke und Roby zurück und bringen ganz viel Feuerholz. Es geht los, der Kater weiß es auch und springt von selbst aus dem Kamin.
Ich bin müde, aber sehr zufrieden gerade. Roby und ich sind heute zu einem Strand gelaufen, den ich noch nicht kannte. Kirke hat angefangen hier zu arbeiten, als Voluntair, also konnte sie nicht mit, aber da sie gestern von der Leiter gefallen ist und sich ein bisschen am Fuß wehgetan hat, hätte sie die kleine Wanderung wohl ohnehin nicht geschafft. Roby will Muscheln für seine Tochter sammeln, sie ist 6 Jahre alt (er 30) und wenn ich die Sache richtig lese, lebt sie bei ihrer Mutter. Ich bin neugierig in welcher Beziehung Kirke und Roby zueinander stehen, denn fast das erste, dass Kirke mir erzählte, war eine traurige Liebesgeschichte mit einem anderen Mann. Mit ihm war sie 6 Jahre zusammen und dann trennten sie sich, aber sie ist immer noch fest davon überzeugt, dass sie schlussendlich zueinander finden, weil ihre Liebe so groß und wunderbar ist. Roby und sie sind gute Freunde, erklärte sie mir. Ich sehe etwas anderes, es fasziniert mich sehr. Es ist wie eine Symbiose. Kirke ist der fühlende Teil und Roby der Denkende. Wenn sie irgendwo hin wandern, dann 'weiß Roby immer die besten Wege'. Kirke hat einen Orientierungssinn von einer Erbse (ihre Worte), aber wenn es darum geht neue Leute anzusprechen, oder in einem Cafe einfach durch Nettigkeit (und fehlendem Bargeld) umsonst Kaffee zu bekommen, dann ist es Kirke, die durch ihre offene Freundlichkeit die Sache regelt.
Es war interessant Roby auch mal außerhalb dieses symbiotischen Verhältnisses zu erleben. Wir haben uns sehr gut unterhalten, über die Impfung (Roby ist geimpft, Kirke nicht), über die Wahlen in Deutschland und Estland, über die viel zu Reichen und die viel zu Armen, über die Klimakrise und darüber was wir beruflich machen. Er hat Philosophie studiert, vielleicht hat mir die Unterhaltung deshalb so viel Spaß gemacht, aber übersetzt jetzt freiberuflich Texte, auch oft medizinische Fachtexte.
Am Strand sind die Wellen wieder wunderbar! Die Gischt und die Schaumkronen erinnern heute sehr an Eischnee, es erfreut darüber nachzudenken, dass ein riesiges Wesen die Wellen dazu nutzt, einen Teig zu rühren. Vielleicht sind wir doch nicht Schuld am Klimawandel, vielleicht ist es einfach Zeit den Ofen vorzuheizen, vielleicht sind wir, die Menschen, in diesem Szenario wie Hefe - vielleicht mussten wir uns erst ganz heftig vermehren und jetzt wo auch der Eischnee im Meer fertig geschlagen ist, werden wir alle gebacken. Haben die ganzen Ökohipster mich zu einem Verschwörungstheoretiker gemacht? Oje.
Eine Frau, die vor zwei Tagen ankam hat übrigens Corona, sie ist auch nicht geimpft. Sie wollte sich natürlich darauf vorbereiten. Ich bin erstaunt über mich. Obwohl ich der Gruppe der Ungeimpfen schon sehr negativ gegenüberstehe, scheine ich mir den einzelnen Individuen irgendwie halbwegs klarzukommen. Der Frau mit Corona, die jetzt in einem anderen Haus untergebracht wurde, habe ich sogar meinen Tigerbalm und meine Halsbonbons gegeben, die ich nicht mehr brauche. Weil auch, wenn ich ihre Entscheidungen im besten Fall dumm und im schlimmsten Fall absolut asozial finde, ändert das wohl nichts an meinem Verhalten. Ich will dann trotzdem irgendwie nett und hilfreich sein. Überraschend, aber vielleicht ist es auch nur meine freundliche Urlaubsstimmung, die da gerade überhand nimmt.
Der Franzose, der gerade auch neu da ist, Eve, und ebenfalls nicht geimpft ist, ist mir dafür aber wenig sympathisch. Erzählt, wie er - soooo smart - einfach an ein Eintrittsschlagen vorbeigeht, weil ja eh niemand was sagt, sich also vordrängelt und sich darüber freut. Ich weiß nicht, ob es das deutsche in mir ist, aber es ärgert mich. Wenn sich das nächste Mal jemand vordrängelt, sage ich was auf jeden Fall etwas.
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