Ich ärgere mich immer noch, aber es geht. Ich möchte trotzdem einen schönen Tage haben. Ein bisschen am schwächeln durch die Erkältung lasse ich es relativ langsam angehen. Ich fahre nach Sintra und schlendere durch die Stadt mit der Mission Briefmarken zu kaufen. Ich fange ein paar Gesichter ein, indem ich sie zeichne und freue mich ein bisschen, dass das auch ohne Kamera geht.
Später fahre ich noch ans Meer und schaue mir den Sonnenuntergang an. Ich finde eine kleine Treppe im Fels, die windgeschützt ist, telefoniere mit Mama und lausche den Wellen, während die Sonne langsam im Meer versinkt. Ab und zu fällt ein Hauch von Gischt auf mein Gesicht, erfrischend und es wird schnell kalt. Ich mache mich auf und klettere zügig die Klippen herunter, bevor es richtig dunkel ist.
Abends versammeln sich alle Gäste am Feuer, es ist ein kleines spontanes Fest. Es gibt wieder Wein und Whiskey, ich steuere dunkle Schokolade bei und wir unterhalten uns über vieles. Die New Yorkerin fragt mich, warum ich hier bin und ich erzähle, dass ich gerade nicht genau weiß was als nächstes kommt. Die Coronazeit war mies, aber jetzt wo es zumindest zeitweise wieder relativ normal wurde, merke ich, dass ich das 'Normal' nicht mehr richtig genießen kann. Es fällt mir schwer ein Leben aufzubauen und Pläne für mich im kleinen zu schmieden, wenn außen herum die Welt brennt - bezogen auf die Klimakrise. Man fängt nicht an einen Tisch zu bauen, wenn das Haus brennt, oder?
Sie ist froh, dass es auch andere gibt, die damit Probleme haben. Die ähnliche Gedanken haben, weil sie auch schwer damit zu kämpfen hat, einen Lebensweg für sich zu finden, wenn vieles so ungewiss und unsicher ist, es aber fast gesichert ist, dass es im Allgemeinen eher den Bach herunter gehen wird. Mir tut es auch gut, jemanden zu finden, der sich dadurch ein bisschen verloren fühlt. Im Alltag habe ich oft das Gefühl, diese Konversationen eher vermeiden zu müssen, weil sie intense sind, herunterziehen, aber ich kann nicht leugnen, dass ich täglich darüber nachdenke. Lange dachte ich, dass ich ein Problem mit mir selbst habe, was es zu lösen gilt. Aber gerade in den letzten Tagen merke ich, dass ich eigentlich ziemlich im Reinen mit mir bin. Ich mag mich und das habe ich mir auch erarbeitet und verdient. Unsere Realität ist es, die absurd und krank ist und die sich verändern muss. Aber solange sie beim Klimagipfel fast ausschließlich Fleisch servieren, bin ich eben eher pessimistisch, dass die Veränderung schnell genug kommt.
Eine andere Frau (warum möchte ich immer Mädchen schreiben, sie ist 31) aus den USA, Elisabeth, erzählt, dass sie die letzten zwei Jahre in Israel verbracht hat und die Zeit als sehr schwierig empfunden hat. Sie hat war im Norden und war zwar in ihrer Bubble sicher, hat aber trotzdem die Bomben gehört - den Krieg mitbekommen. Sie wollte eigentlich nur ein paar Wochen dort verbringen, ihren Bruder besuchen, um dann in Indien, alternative Medizin zu studieren. Aber wegen Corona war sie zwei Jahre dort. Sie ist auch sonst sehr alternativ und spirituell, aber ich genieße ihre Gesellschaft, sie ist umsichtig und beobachtet gut. Sie meinte zu mir, dass sie gemerkt hatte, dass ich in den ersten Tagen, eher Zeit allein verbringen wollte und dass sie das gut verstehen kann und mich deshalb in Ruhe gelassen hat.
Sie erzählt später auch, dass sie bei einem Tierarzt Praktikum gemacht hat, bei dem sie Akupunktur an Hunden gemacht haben. Damit die Hunde eine halbe Stunde still halten, hätten sie alle zusammen meditiert und das es damit gut geklappt hat. Sie hat dort auch Reiki gelernt und an Tieren angewendet, wobei man Hände auflegt, positive Energie durch sie in den anderen Körpern lenkt und damit einen heilenden Effekt auslöst. Sie meinte, sie hätte dabei gesehen, wie die Tiere gelebt hätten, was sie fühlten, ihre Erinnerungen gefühlt.
Ich bin bei allem, was ich nicht selbst erlebt habe Agnostiker, also finde ich spannend was sie erzählt, aber meine westliche Erziehung und auch eine gewisse Wissenschaftsgläubigkeit, lassen mich trotzdem ganz leise zweifeln, aber ich merke, dass es mir eigentlich egal ist
Irgendwann fragen sie, ob sie mein Skizzenbuch anschauen dürfen und ich lasse sie. Es ist schön, weil sie so überrascht sind und begeistert. Die New Yorkerin, ich habe gerade ihren Namen vergessen, fragt mich, ob ich schonmal ein Tattoo gezeichnet habe, sie wäre interessiert. Das steht tatsächlich auf meiner Bucket List, also freue ich mich, als sie sagt, sie würde mir das anvertrauen.
Der ältere Deutsche, der mir schon am ersten Tag erzählt hat, dass er eigentlich hätte Kunst machen sollen, aber dann doch lieber Arzt geworden ist - der ein leichten aber nicht unangenehmen Profilierungsdruck zu haben scheint, schaut sich mein anderes Sketchbook an. Er hat wohl viel Kontakt zu Künstlern, macht viel Musik und man hört von ihm immer wieder kleine Anmerkungen - hier stimme die Perspektive nicht ganz. Aber am Ende spricht er viel Lob aus. Dass ich ja ein tolles Talent habe. Ich wäre originell und habe ein gutes Auge. Aber das es schade wäre, dass mir teilweise die Technik fehle. Ich erkläre, dass ich zu viele Interessen und Hobbys habe und das ich deswegen nie in einer Sache besonders herausragen werde.
Die New Yorkerin und Mikael, der auch ein Illustrator ist und vor kurzem ein Kurs bei einer Frau gemacht hat, die sich telepathisch mit Tieren verständigt, kommen zu dem Schluss, dass ich verrückt bin, als sie mit dem Sketchbook durch sind. 'You are crazy'!
Als wir uns später Mikaels Sketchbook anschauen, kann ich das Kompliment nur zurückgeben. Man sieht ein bisschen, dass er regelmäßig Pilze nimmt. Sein Skizzenbuch ist ganz anders als meins, jede Seite ist vollständig gefüllt, es ist ein großes Durcheinander, ganz viele verschiedene Materialien, auf manchen Seiten sind kleine Berechnungen - sowas gefällt mir auch immer.
Ich biete den nicht Illustratoren an, dass wir die Tage gerne mal eine kleine Zeichenstunde machen können. Elisabeth freut sich und meint, dass sie vielleicht auch irgendwas im Gegenzug anzubieten hat.
Vielleicht kann sie ja meine Rückenschmerzen mit Reiki heilen, denke ich mir. Da hat mir die Schulmedizin ja bis jetzt auch nicht geholfen, das kann gerne jeder mal versuchen.
Am Ende sind alle anderen schon langsam ins Bett verschwunden, aber ich unterhalte mich noch mit Matt(?), dem älteren Deutschen Augenarzt. Er ist erstaunt, dass es so viele junge Leute gibt, die so konservativ sind, die sich wenig mit der Klimakrise beschäftigen. Er hat vier Kinder. Davon interessiert sich wohl nur einer für das Thema.
Wenn er noch jünger wäre, würde er sich auch gerne ein Selbstversorgerdasein aufbauen, sich ein Haus aus Lehm und Stroh bauen und ein bisschen was anbauen - Permakultur. Sie haben ein Grundstück in Belgien, das sich gut dafür eignet, aber er arbeitet zu gerne und wenn er dann endlich aufhört ist er womöglich zu alt - körperlich nicht mehr fit genug. Ich denke er geht auf die 70 zu. Er hatte gehofft, dass sein Sohn auf dem Grundstück etwas in der Art aufbauen würde, aber der ist jetzt in England und wird wohl auch nicht wieder kommen.
Ich werde hellhörig und erzähle, dass ich auch schon lange von einem Tinyhaus träume. Ich schlage vor, dass wir auf jeden Fall in Kontakt bleiben sollten, falls er doch noch ein Projekt auf seinem Grundstück startet, kann er sich gerne bei mir melden.
Es war ein sehr anregender Abend, ich bin froh, dass ich endlich ein bisschen aufgetaut bin. Es hat sich sehr gelohnt.
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