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Ein Tag ohne Fotos

Ich habe verschlafen. Eigentlich wollte ich um 10 Uhr bei der Führung über den Hof mitmachen, aber ich wache erst um kurz nach 10 auf. Ich spüre wie sich eine Erkältung anschleicht, also mache ich mir einen starken Ingwertee. In der Küche treffe ich Lisa, eine Schweizerin, mit der ich schon ein paar mal ein bisschen gequatscht habe. Sie erzählt, dass die Tour noch gar nicht angefangen hat.

 

Die folgenden Fotos sind an anderen Tagen entstanden

 

Silvie, eine der Gründer:innen, treibt uns zusammen und erzählt uns, dass sie das Stück Land auf dem sich jetzt viele verschiedene kleine Häuschen, Tinyhäuser, Obstbäume, Beete, Kräuter, etc. befinden erst vor einem Jahr gekauft haben. Davor hatten sie es nur gemietet. Vor 10 Jahren, haben sie und 6 Freunde sich nach einem Stück Land umgeschaut, um auszusteigen und etwas nachhaltiges aufzubauen. Sie hatten wenig Geld, also haben sie das Grundstück gepachtet und sofort angefangen, das Haupthaus zu renovieren und sind gemeinsam eingezogen. Um über die Runden zu kommen, veranstalteten sie immer wieder verschieden Workshops und nach und nach, mit der Hilfe von vielen Helfern aus aller Welt, wurden viele kleine Häuser aus nachhaltigen Materialien gebaut, Beete angelegt und ganz unterschiedliche Projekte angefangen. Sie machen Cider und Essig, wollen in den nächsten Jahren auch Wein anbauen, haben Schweine und Hühner, ein steinaltes Pferd, und bauen auf eine ganz bestimmte Weise Pflanzen an. Immer eine Reihe Obstbäume, dann Gemüse und dann Kräuter. Interessant ist sowieso, dass sie nie lange bei einem Projekt bleiben, sondern ständig neue Projekte anfangen, alles ist in Bewegung. Einige Häuser, die sie vor Jahren gebaut haben, müssen jetzt schon wieder renoviert werden, weil sie damals noch nicht so viel Ahnung hatten.

Zwischen unseren Füßen zanken sich zwei Katzen. Silvies Sohn folgt uns und pflückt seiner Mutter immer wieder stolz ein paar Blumen. Für Kinder und Tiere ist es ein Paradies. Ich sehe aber auch sehr viel, was vernachlässigt wird, wo ich gerne mit anpacken würde, damit es wieder auf Vordermann gebracht wird. Aber Silvie strahlt eine ganz besondere Ruhe aus, was das angeht. Sie sagt zwar an vielen Stellen, dass sie dies und das renovieren müssen, aber ich habe das Gefühl, sie meint damit in den nächsten zwei Jahren. Alles braucht Zeit. 

Aber dafür, dass sie erst seit 10 Jahren hier auf dem Grundstück sind, haben sie unglaublich viel gebaut und gemacht. Sie erzählt, dass sie, als sie jetzt endlich das Stück Land kaufen konnten, der Preis unheimlich gestiegen war, weil sie durch ihre Nutzung den Wert gesteigert haben, was für sie alle sehr frustrierend war. Sie hatten ein uninteressantes Grundstück gepachtet, sich darauf etwas aufgebaut und viel Geld investiert, um jetzt sozusagen ein zweites Mal dafür zu bezahlen. Sie würde, wenn sie nochmal neu anfangen könnte, immer zuerst das Grundstück kaufen.

 

Ich frühstücke mit den Schweizern und erfahre, dass sie auch gerade auf der Suche nach einem Grundstück in Portugal sind, wo sie sich etwas ähnliches, aber in kleinerem Maßstab aufbauen wollen und deshalb solche Projekte abklappern, um sich zu informieren. Beide arbeiten online. 

 

Nachmittags laufe ich wieder zum Strand, schaue auf die Wellen und höre den Herr aller Dinge. Ein sehr eindringliches Hörbuch, was ich auch der Zukunftsmarlene sehr empfehlen kann.

 

Ich kaufe mir zwei Pao com Chourico und ein Calippo Limone und beobachte den Sonnenuntergang. Und dann stehe ich von meiner Bank auf, bin völlig in Gedanken, vollgefressen, zufrieden und lasse meine Kamera liegen. Ich merke es nach ein paar Minuten, als ich ein Foto machen möchte, erschrecke mich unheimlich und renne zurück. Ich hoffe so sehr, dass sie noch da liegt, dunkle Kamera auf dunkler Bank. Unentdeckt. Aber als ich wieder dort bin, ist sie nicht mehr da. Ich ärgere mich unendlich. Zumal ich mich IMMER!!! wirklich immer noch einmal umdrehe, wenn ich irgendwo aufstehe. Und immer wenn ich mich umdrehe, habe ich sowieso alles an mir. Und dieses eine Mal, wo ich mich entspannt habe, in Gedanken war und mich ein einziges Mal nicht umgesehen habe oder vielleicht habe ich es sogar. Die Bank hat Kamerafarbe. Ich ärgere mich sehr, auch darüber, dass die Fotos des Tages verloren sind. Das ärgert mich fast am meisten. Als hätte mir jemand einen Tag geklaut. Nur, dass ich selbst schuld war. Als hätte ich jemandem dabei geholfen mir diesen Tag zu klauen.

 

Ich laufe ein bisschen umher, frage zwei Pärchen, ob sie was gesehen haben. Nein. Innerhalb von 7 Minuten war jemand dort, hat die Kamera entdeckt und ist verschwunden. Für den Fall, dass es vielleicht jemand wie ich war, der die Kamera am liebsten wieder zurück geben möchte, hinterlasse ich eine Nachricht. 50 Euro Finderlohn und ein Portrait für denjenigen, der die Kamera an mich zurück gibt. Vielleicht ist es auch jemand, der sich wie ein Detektiv durch die Fotos klickt und dadurch herausfindet, wo ich untergekommen bin. Eine ganz schmale Hoffnung.

 

Abends unterhalte ich mich mit dem deutschen Ehepaar. Sie sind hier um auf ein Pferde'festival' zu gehen. Er ist Augenarzt, sie haben vier erfolgreiche Kinder, zwei Katzen und ein Hund und sie teilen sehr gerne ihren Wein und ihren Whiskey mit mir. So langsam habe ich Spaß daran mich mit den verschiedenen Charakteren hier auszutauschen. Ich brauchte ein paar Tage, um anzukommen, aber jetzt bin ich gespannt auf neue Menschen.

 

 

Ich recherchiere direkt, wo ich eine neue gebrauchte Kamera herbekomme. Ich weiß sofort, dass ich ohne Kamera diese komplette Reise nur halb genießen kann. Das Dokumentieren ist mir beim alleine reisen beinahe das wichtigste, das ist mir heute sehr bewusst geworden. Gut ist, dass ich mich immer mit dem Einsteigermodell zufrieden gegeben habe und mein teureres Objektiv hatte ich glücklicherweise zuhause gelassen heute. 

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