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Sintra

Heute mache ich einen Ausflug. Ich frühstücke Müsli mit Banane, die viel mehr Biss hat und sehr viel fruchtiger schmeckt, als ich normale Bananen kenne. Auch die Birne war erstaunlich lecker, so saftig, dass man sich gerade so nicht versaut. 

 

Ich mache mir einen Tee und bestelle ein Uber, der mich zum Fuße des kleinen Berges bringen soll auf dem sich Sehenswürdigkeiten nur so aneinanderreihen. Zuerst schlendere ich einfach ein bisschen durch das kleine Dorf. Wobei man das eigentlich nicht schlendern nennen kann. Es ist so steil, dass ich ganz froh bin, dass ich meine Kamera dabei habe, dann sieht man nicht sofort, wie schnell ich außer Atem bin. 

Und dann geht es immer weiter nach oben. Ich laufe an allen Touribussen vorbei und schlage mich zusammen mit ein paar Hartgesottenen steile Treppen den Hang hinauf. Wir werden belohnt durch einen schönen Wanderweg, ebenfalls sehr steil. Aber man kann sich immer wieder über den Ausblick erfreuen, den man sich selbst erarbeitet hat. Durch die alten Bäume erhasche ich immer wieder einen Blick auf den Palácio National de Pena, ein gelb leuchtendes Schloss, dass ganz oben auf dem Berg steht.

Ganz oben auf dem Castelos dos Mouros  treffe ich meine Wanderkumpane wieder, wir tauschen ein verschwörerische Lächeln, bevor wir uns wieder der Aussicht widmen. Der Wind pustet uns allen ganz schön um die Ohren. Ich finde ein windgeschütztes, sonniges Plätzchen und schreibe ein bisschen, dann mache ich die Augen ein bisschen zu.

Auf dem Weg zum Palácio National de Pena, suche ich mir Wege weit weg von den ganzen kleinen Tousibussen und finde einsame Wege durch den Park der um das Schloss liegt . Es ist eher ein Wald, durchsetzt mit großen Felsbrocken, alten Platanen, die ganz wunderbar sanft rascheln, und riesigen Zypressen. Das Rascheln von Platanen ist für mich wie Urlaubsglocken, die ein paar schöne, unbeschwerte Tage einleuten. Genauso wie der Geruch von Pinien. 

Als ich schließlich am Palast ankomme, bin ich eigentlich schon gesättigt und kann gar nicht mehr so viel aufnehmen. Der Ausblick ist grandios, aber die ganzen anderen Touristen strengen mich an. Es ist immer so schön ironisch, wenn man sich als Tourist über die anderen Touristen ärgert. Ich schaue mir trotzdem alles genau an, der Palast hat eine ganz besondere Ausstrahlung, farbenfroh, fröhlich und trotzdem erhaben. Auch die hunderten unterschiedlich bemalten Kacheln und viele ungewöhnliche Steingesichter die die Wände verzieren, machen den Touristenstrom etwas wett. 

Auf dem Rückweg nach unten entdecke ich einen schmalen Wanderweg genau nach meinem Geschmack. Ich treffe auf zwei Franzosen, die sich von einem umgefallenen Baum verunsichern lassen. Ich klettere etwas ungestüm über die Äste und nicke ihnen zu, als ich den Weg auf der anderen Seite wiederfinde. Ich frage mich, ob sie deshalb so hilflos herumstanden, weil sie zu zweit waren und darauf gewartet haben, dass der jeweils andere etwas tut. Ich spüre meine Waden und bin mir sicher, dass ich morgen einen Muskelkater begrüßen kann. Morgen wird ein Ruhetag. Ich werde ins Cafe gehen, mir leckeres Essen bringen lassen, arbeiten und wieder zum Meer laufen und die Wellen beobachten.

Ich bin total erschöpft und warte, auf einer kleine Mauer sitzend, auf mein Uber, als plötzlich ein Typ anfängt mit mir zu reden. Er lispelt. Zuerst fragt er nach dem Weg, aber das war nur der Aufhänger für einen Monolog darüber, dass er eigentlich aus Portugal kommt, aber seit Jahren in London arbeitet und dass es ja ganz schlimm ist, dass er sich in Portugal jetzt nicht mehr auskennt. Er arbeite für Universal Studios, mache Musikvideos und wollte jetzt eigentlich dringend zu einem bestimmten Schloss. Woher ich denn komme, aha Deutschland, Berlin, ah ja er kennt ein paar Deutsche, die mit ihm arbeiten. Er zeigt mir Fotos von irgendwelchen fremden Menschen. In Berlin gibt es doch eine riesige Elektronikszene, seine Vorgesetze ist ja aus Potsdam - noch ein Foto. Ab und zu werfe ich lustlos aber höflich etwas ein, aber ob und wie ich reagiere ist ihm augenscheinlich gleichgültig. Ob ich Game of Thrones mag, um die Ecke ist eine Mittelalterbar, da war er gestern mit seinen Kollegen - noch ein Foto, von einer Frau, die 'Mittelalter-Ohrringe' anprobiert. Ist eigentlich nichts für ihn, aber sogar er hatte Spaß. Er entschuldigt sich für sein Outfit, Sportklamotten, weil er ist gerade mit Freunden zusammen vom Strand hier her gerannt und später wird er wieder zurück rennen. Irgendwann bekomme ich kurz Sprechzeit und werde gefragt was ich mache - Game Design. Er ist erzürnt, wieso ich das nicht sofort gesagt hätte, er liebt Gaming - In London gibts ja einige Studios und ob ich wisse, dass die Games Branche größer ist als die Filmbranche. 

Es geht noch eine Weile weiter, aber irgendwann verabschiede ich mich, ich muss zu meinem Uber-Abholort. Nice to meet you, auf Wiedersehen. Er war nicht unangenehm oder ungepflegt, aber so ein Gespräch hätte ich auch in dem Heim führen können, in dem Opa war, nachdem er seinen Schädelbruch hatte. So wirr, so losgelöst von irgendeiner Gesprächslogik. Und wenn das flirten war, dann bleibe ich wirklich ein für alle mal bei dem Plan eine hutzelige Katzenomi zu werden - ein bisschen früh mit 30 halt.

 

Ich hätte mein Gesprächskontingent lieber für die eine Deutsche verbrauchen sollen, die beim Aufstieg zu der Maurenburg zaghaft Kontakt knüpfen wollte, aber da war ich außer Atem und auch nicht so in Stimmung auf Smalltalk. Im Nachhinein, weiß man immer alles besser.

Die nächsten Tage bleibe ich von Touriorten weg. Ein Grund, warum ich aus Berlin fliehen wollte, waren eben die Menschenmassen. Das ist auch in Portugal nicht anders. Trotzdem war dieser Tag schön und bereichernd. Ich habe gemerkt, dass ich gerne öfter bergauf gehen möchte, meinen Waden und meine Lungen spüren. Berlin kann das leider nicht bieten und Treppenlaufen ist kein Substitut.


16.000 Schritte

104 Stockwerke 

600 Höhenmeter


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