Vom Place Monge, wo mein Hostel ist, spazierte ich zuerst auf die Île St. Louis und aß ein Cassis-Eis von Berthillon. Obwohl ich auf französisch bestellte, war
die Bedienung weder beeindruckt, noch ist sie groß darauf eingegangen. Das Eis hat trotzdem geschmeckt.
Jetzt sitze mit einem heißen Getränk in einem Café nahe des Place des Vosges und esse einen sehr leckeren, aber etwas zu trockenen Brownie.
Das könnte auch ein Café in Berlin sein, aber es gefällt mir trotzdem. Ruhige Musik, viele Pflanzen und Pflanzenbabys, gekachelter Tresen, leckere nur leicht
gesüßte Getränke. Das einzige was mich irritiert, ist die unheimlich hohe Stimme des kleinen, bärtigen Barrista. Ich saß mit dem Rücken zu ihm und dachte zwischenzeitlich, dass er von einer
Frau abgelöst wurde. Habe mich jetzt umgesetzt um ihn im Blick zu haben, sonst stolpert mein Gehirn zu oft.
Neben mir hämmert eine etwas tumb wirkende junge Frau in ihren von Stickern übersäten Mac. Und daneben sitzt eine elfenhafte Frau, die so sanft und
unscheinbar das Touchpad bedient, dass sie beinahe ganz in ihrem Laptop verschwindet.
Ich schließe hinter zwei Japanern die Tür, weil sie die Hände voll haben und erhalten als Belohnung ein Lächeln vom Barrista. Es schien ihn
anzustrengen - vielleicht setzt ihm seine Stimme auch etwas zu. Er fängt an zu spülen und nach einer Weile pfeift er selbstvergessen. Kurz darauf erinnert er sich und hört wieder
auf.
Ich bin müde und krank und am liebsten würde ich die Zeit anhalten und 2 Tage schlafen und Suppe essen. Aber jetzt bin ich hier, also mache ich das
beste daraus.
Nach der Pause im Café war ich noch im Picasso Museum - die Hälfte ist leider geschlossen, aber es war trotzdem ganz schön. Picasso ist einfach ein
lustiger Typ. Besonders die Zeitschriften die er “verunstaltet” hat, fand ich sehr amüsant. Dazu habe ich jetzt auch Lust!
Beobachtungen aus dem Zug
Papa hat mich heute morgen sehr früh zum Bahnhof in Alkmaar gebracht. Ich bekam den frühen Zug knapp und musste dann in Amsterdam eine dreiviertel Stunde auf
den Thalys nach Paris warten, aber so ist das eben. Wenn man einen Puffer einplant, geht immer alles glatt.
Jetzt sitze ich im Zug. Noch leicht verschnupft, aber mit Vorfreude und Zuversicht.
Gegenüber sitzen zwei Franzosen, ein lustiges Pärchen, die sich fortwährend gegenseitig auf den Arm nehmen. Der Mann ist der Schelm.
Sein Kopf scheint viel zu weit vorne an seinen Torso angeschraubt zu sein und auf den Hals wurde vollständig verzichtet. Es stört ihn nicht, mich auch
nicht.
Links von uns sitzen sehr kommunikative Holländer. Beide silbern, kontrastreich, selbstbewusst und unbeschwert. Sie ist schwarz geschminkt, Lederjacke,
rosa Macbook. Beide tragen schwarze harte Brillen. Er sieht aus wie ein Business-Palpatine. Sein Ipad rutscht vom Tisch und fällt auf den Boden - er hebt es auf und legt es weg, ohne
nachzuschauen ob es ok ist.
Palpatine hat gerade die Hälfte seines Schnürsenkels abgerissen und versucht nun die Reste so zu verteilen, dass er den Schuh wieder zubinden kann. Er
weiß nie an welchem Schnurstück er ziehen muss um die Schnur von einer Seite zur anderen zu bringen. Er versteht es nicht und ist heimlich erstaunt über seine
Unfähigkeit.
Seine Hose ist zu eng, besonders im Schritt schneidet die Naht ein und ich kann mich nicht davon abhalten immer wieder hinzuschauen - es muss doch
unheimlich unbequem sein.
Seine Frau fängt meinen Blick auf und lächelt mir zu.
Draußen ziehen Wolkenschlösser vorbei, gebaut um mir eine Freude zu machen. Mein Sitzplatz ist direkt im Bordbistro-Wagen. Ich lasse den Teebecher neu
füllen und kaufe einen Orangensaft. Der eckige Barista ist sehr freundlich und zuvorkommend.
Abends im Hostel
Ich bin im Hostelzimmer - 6 Betten. Die Chinesin von gegenüber macht ihre Abendgymnastik und wirft ihre Beine dabei mächtig in die
Luft. Sie kann nicht wirklich Englisch, hat aber eine beeindruckende Zeichensprache, sehr ausdrucksstark. Zur Begrüßung hat sie mir mit Gesten
erklärt, dass es im Nebenraum stinkt, weil die zwei Damen dort viel Schwitzen. Fand ich sehr lustig.
Ich kann nicht einschätzen wie alt sie ist - vermutlich so zwischen 25 und 30, aber sie hat die Aura einer furchtbar alten Greisin, die gar nicht mehr richtig
am Leben teilnimmt und sich deswegen über all die anderen lustig machen darf.
Ich mache jetzt die Augen zu und hoffe, dass, wenn ich sie wieder öffne, alles wieder richtig funktioniert in diesem Körper.
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